Medizinforschung

Neue Erkenntnisse aus der Forschung

Von Nadine Effert · 2024

Forschung ist das A und O, wenn es darum geht, Krankheiten besser zu verstehen, sie früher zu erkennen und besser therapieren zu können. Das Gute: Täglich überraschen uns Forscherteams rund um den Globus mit neuen Erkenntnissen aus dem spannenden Gebiet der Medizin. Kann heutzutage einem Säugling ein Kunstherz eingesetzt werden? Was haben Immunzellen mit Depressionen zu tun? Kann mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) der Erfolg einer bestimmten Therapie bei Vorhofflimmern vorausgesagt werden? Können Patientinnen und Patienten nach einem Schlaganfall auch zu Hause in Reha gehen? Ist KI besser in der Diagnose von schwarzem Hautkrebs als dermatologische Fachleute? Und welche Hinweise liefert der menschliche Speichel auf das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten? Forschende haben interessante Antworten auf diese Fragen gefunden.

Computermodell eines Gehirns in einem Analyse-Programm
Foto: iStock / ArtemisDiana

Kunstherz für Säugling

Der kleine Theo ist gerade einmal sechs Monate auf der Welt, als er aufgrund eines zu großen Herzes ein Herzversagen erleidet. Ihm konnte das Leben gerettet werden – erstmalig bei einem Säugling dank eines Kunstherzens, das aus einem elektropneumatischen Antriebssystem und einer Blutpumpe besteht. Eingesetzt wurde das „Berlin Heart“ Anfang Januar 2024 in der Klinik für Kinderherzchirurgie und Chirurgie angeborener Herzfehler an der Uniklinik RWTH Aachen unter Leitung von Klinikdirektor Univ.-Prof. Dr. med. André Rüffer. „Der Eingriff dauerte rund drei Stunden und ist komplikationslos verlaufen.“ Die Kammern des Kunstherzes liegen außerhalb des Körpers, und mithilfe einer pneumatischen Pumpe wird das Blut in Theos Körper zurückgepumpt. „Mit etwas Glück können wir das Device nach rund drei Monaten explantieren. Ansonsten kommt Theo auf die Transplantationsliste und wird dann in den nächsten Jahren transplantiert werden.“ 

Computermodell eines Herzen
Foto: iStock / ArtemisDiana

Depression: Einfluss von Immunzellen

Gestresste Mäuse verhalten sich wie Menschen mit Depression: Zu dieser Erkenntnis sind Forschende aus Zürich und New York gekommen. Dass viele stressbedingte psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen mit Veränderungen des Immunsystems einhergehen, ist nichts Neues. Doch die zugrunde liegenden Mechanismen waren bislang weitgehend unbekannt. „Wir konnten zeigen, dass Stress die Menge des Enzyms Matrixmetalloproteinase 8, kurz MMP8, im Blut von Mäusen erhöht. Dieselbe Veränderung fanden wir auch in Patientinnen und Patienten mit einer Depression“, sagt der Züricher Erstautor Flurin Cathomas. Vom Blut gelangt MMP8 aus den Immunzellen ins Gehirn und verändert dort die Funktionstüchtigkeit bestimmter Nervenzellen. Bei den betroffenen Mäusen führt dies zu Verhaltensänderungen wie sozialem Rückzug. Bei Nagern, denen das Enzym MMP8 entfernt wurde, konnte dies nicht beobachtet werden, heißt es im Fachblatt „Nature“. Inwieweit lässt sich das Immunsystem durch die Stimulation gewisser Gehirnareale beeinflussen? Und haben allfällige Veränderungen in den Immunzellen einen Einfluss auf das Verhalten depressiver Menschen? Diese Fragen möchte das Wissenschaftlerteam als Nächstes in klinischen Studien testen.

Mit KI gegen Vorhofflimmern

In Deutschland sind laut Schätzungen bis zu zwei Millionen Menschen von Vorhofflimmern betroffen. Bei dieser Herzrhythmusstörung kommt es zu unregelmäßigen Aktivitäten innerhalb der Vorhöfe – mit einem erhöhten Risiko für Herzinsuffizienz oder Schlaganfall als Folge. Die kathetergeführte Verödung fehlerhafter Erregungsherde (Ablation) gilt als effektivste Behandlungsoption, wobei es bei einem Teil der Betroffenen erneut zu Vorhofflimmern kommen kann. Um in Zukunft das Risiko für einen Rückfall verlässlich voraussagen zu können, tüfteln Forschende des Herzzentrums Leipzig und des Helios Health Institute in Berlin im Rahmen des Projekts „ACCELERATE“ an einer EKG-Analyse, die auf Künstlicher Intelligenz basiert. Falls die neuen Modelle verlässlich und genau arbeiten, würde dies einen wichtigen Schritt hin zu einer individualisierten Therapieentscheidung für Menschen mit Vorhofflimmern bedeuten. 

Schlaganfall-Reha zu Hause

Die TU Ilmenau entwickelt aktuell im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts namens „TeleRehaBrain“ eine Telemedizin-Methode, die es Patientinnen und Patienten nach einem Schlaganfall ermöglichen soll, eine personalisierte motorische Rehabilitation von zu Hause aus durchzuführen. Erstmals weltweit werden dabei die Echtzeit-Elektroenzephalografie und die transkranielle Elektrostimulation im häuslichen Umfeld eingesetzt. Dabei werden die Hirnströme in Echtzeit gemessen und analysiert und von den gewonnenen Daten Parameter für eine elektrische Stimulation des Gehirns abgeleitet. Bei der darauf aufbauenden transkraniellen Elektrostimulation werden dann schwache Ströme über an der Kopfhaut angebrachte Elektroden abgegeben, um nach einem Schlaganfall die Umorganisation der Gehirnaktivität zu verbessern. Der Leiter des „TeleRehaBrain“-Projekts, Prof. Dr. Jens Haueisen, Leiter des Instituts für Biomedizinische Technik der TU Ilmenau, betont das Potenzial: „Wenn wir ihnen die Reha sozusagen nach Hause bringen, sind Schlaganfall-Patienten wesentlich flexibler: nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich. Und durch die personalisierte und differenzierte Therapie auch viel motivierter, sich anzustrengen.“ Wenn erfolgreich, plant die TU Ilmenau den Aufbau eines EU-weiten Netzwerks für die Schlaganfall-Rehabilitation im ländlichen Raum.

KI-gestützte Hautscreening-App

Medizin-App für Hautkrebs-Screening
Foto: iStock / ArtemisDiana

Jedes Jahr sterben in Deutschland rund 4.000 Menschen an schwarzem Hautkrebs (Melanom). Umso wichtiger ist eine frühzeitige Diagnose – KI kann dabei unterstützen. Doch viele Dermatologinnen und Dermatologen misstrauen den Entscheidungen der Algorithmen. Aus diesem Grund hat das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg ein KI-basiertes Unterstützungssystem für die Hautkrebsdiagnostik entwickelt, das seine Entscheidungen – Melanom oder Muttermal? – erklärt. Die Ergebnisse einer Untersuchung, an der sich über 100 Dermatologen aus 33 verschiedenen Ländern beteiligten, veranschaulichen, dass die verwendete KI „die Diagnosesicherheit von Klinikern verbessern kann und das Potenzial hat, die Akzeptanz der Mediziner für den Einsatz von KI-Methoden zu steigern“, erklärt Studienleiter Dr. med. Titus Brinker und fügt hinzu: „Die europäische Datenschutzgrundverordnung verlangt, dass alle algorithmusbasierten Entscheidungen für die Endnutzer interpretierbar sein müssen. Unsere Arbeit ist ein wichtiger erster Schritt zur Schließung der Interpretationslücke.“

Mundspülung als Risikoindikator

Verrät der Speichel das zukünftige Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Im Versuch, den die Forschenden um Ker-Yung Hong vom Department of Kinesiology an der McMaster University im kanadischen Hamilton durchführten, spülten die Studienteilnehmenden ihren Mund mit Kochsalzlösung. Die Speichelproben wurden anschließend auf Entzündungsmarker untersucht. Das im Fachjournal „Frontiers in Oral Health“ veröffentlichte Fazit: Die orale Entzündungsbelastung im Mund ist ein Prädiktor für eine verminderte flussvermittelte Dilatation. Darunter versteht man die prozentuale Veränderung des Gefäßdurchmessers. Die Forschenden sehen die angewandte Mundspülung als mögliche Früherkennungsmaßnahme, die in Zukunft beim jährlichen Zahnarztbesuch Anwendung finden könnte.

Schon gewusst?

100.000 

So viele Kilometer Blutgefäße insgesamt durchziehen den menschlichen Körper.

Quelle: https://herzstiftung.de/system/files/2020-05/HB0116-wissen-sport-bewegung.pdf

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