Intelligente Medizintechnik

Hand in Hand: Fortschritt und Digitalisierung

Von Nadine Effert · 2023

Eine Smartwatch wird angelegt.
Auch sogenannte Wearables, hier in Form einer Smartwatch, sind in der Lage, zum Beispiel Herzfrequenz und Pulskurven zu erfassen. Foto: iStock / Giuseppe Lombardo

Der Ehrgeiz, eine positive Entwicklung für sich oder die Gesellschaft herbeizuführen, liegt seit jeher in der DNA des Menschen. Es gibt kaum einen Bereich, in dem Fortschritt keine Rolle spielt. Vor allem in der Medizin, wenn es darum geht, Krankheiten zu heilen und die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten zu verbessern.

Wer hätte einst gedacht, dass moderne Herzschrittmacher auf die Größe eines Fingernagels schrumpfen und in der Lage sind, Herzdaten automatisch zu versenden. Dass heute etwa die Hälfte aller Krebserkrankungen heilbar ist. Ein Smartphone Menschen mit Diabetes ihren Blutzuckerspiegel anzeigt. Oder das Humanerbgut seit vergangenem Jahr komplett entschlüsselt zu sein scheint, was einer wissenschaftlichen Sensation gleichkommt.

Es gibt unzählige medizinische Meilensteine und bahnbrechende Forschungsergebnisse, die zu einer verbesserten Prävention, schnelleren und präziseren Dia-gnostik sowie wirksameren Therapien führen. Dank den medizinischen Errungenschaften – auch im Bereich der Medizintechnik – können heute Menschen gerettet werden, die vor wenigen Jahren dem Tod geweiht waren, oder chronisch Erkrankte mehr Lebensqualität erfahren. 

Telemedizin: Bedarf steigt

Ein wichtiger Treiber für medizinischen Fortschritt ist die Digitalisierung. Von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) über Online-Videosprechstunden bis zum Telemonitoring – mittels der modernen Telemedizin können Krankheiten heutzutage aus der Ferne diagnostiziert, kontrolliert und therapiert werden. „Der chronische Zeitmangel in Kliniken und Praxen sowie die notwendige räumliche Distanz während der Pandemie haben uns die Vorteile der Telemedizin klar vor Augen geführt“, sagt der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung. „Zugleich wurde auch schonungslos der dringliche Bedarf an zusätzlichen telemedizinischen Strukturen offengelegt.“ Dieses Erfordernis ergebe sich vor allem durch den hohen Anteil an chronisch erkrankten Menschen. 

Laut der Studie „Gesundheitsorientierung und Informationsverhalten chronisch Kranker“ aus dem Jahr 2022 der Stiftung Gesundheitswissen haben aktuell bereits 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland eine oder mehrere chronische Erkrankungen, und 30 Prozent leben 20 Jahre oder länger mit ihrer Erkrankung. „Angesichts einer älter werdenden Gesellschaft wird die Bedeutung chronischer Erkrankungen weiter zunehmen“, sagt Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheitswissen. „Die Prävention chronischer Krankheiten und die angemessene Versorgung der Betroffenen sind deshalb eine der zentralen Herausforderungen für unser Gesundheitssystem.“

Vorteile der Telekardiologie 

Die Telemedizin kann hier wertvolle Dienste leisten. Die Anwendungsgebiete im Bereich der Telekardiologie umfassen inzwischen sämtliche Herzkrankheiten, etwa in der Nachsorge nach einem Herzinfarkt oder der Detektion von Herzrhythmusstörungen mithilfe von implantierbaren Defibrillatoren (ICD), Herzschrittmachern und Ereignisrekordern. „Patientinnen und Patienten profitieren dabei auf der einen Seite von der telemedizinischen Kontrolle ihres Gesundheitszustands, der engmaschigen Beobachtung des Genesungszustands nach einer Reha oder von der Wirksamkeitskontrolle medizinischer Maßnahmen“, so Meinertz. 

KI als Sparringspartner

Und was erwartet uns in Zukunft? Roboter am OP-Tisch? Künstliche Intelligenz (KI), die Diagnosen stellt? Oder ein neues Organ aus dem Drucker? Nicht unwahrscheinlich, denn zum Teil schon Realität. In immer mehr Bereichen der Medizin halten moderne Technologien Einzug. Big Data und KI sind wichtige Schlüsselbegriffe in der Medizin der Zukunft. Beispiel: Darmspiegelung zur Aufspürung von Polypen, die im Laufe der Jahre entarten können. Aktuelle Studien zeigen, dass mithilfe von KI, als quasi zusätzliches Paar Augen, bis zu 15 Prozent mehr Polypen aufgespürt werden. Und am Helmholtz Munich trainiert aktuell ein Team um Prof. Julia Schnabel einen Algorithmus mithilfe von Daten aus Ultraschalluntersuchungen, in denen die Plazenta markiert ist. Ziel: die Plazenta bei schwangeren Frauen leichter vermessen und so eine etwaige Unterversorgung des Fetus frühzeitiger festzustellen zu können. „Wir haben unseren Algorithmus mit weiteren Daten gefüttert, sodass er auch Organe und Körperteile des Fetus erkennt. Das Programm kann für die Ärztinnen und Ärzte am Ultraschallkopf bereits Hilfestellungen geben, wenn es etwa darum geht, das Kind zu schallen.“ Eine kluge KI könne so künftig für die Fachleute in manchen Bereichen eine Art Sparringspartner werden. Bei der Bildanalyse nimmt KI diese Rolle schon ein: So greifen in großen Krebsbehandlungszentren Fachleute für Strahlentherapie bei der Markierung von Tumorgewebe bereits auf Algorithmen zurück. Das Potenzial ist immens, genauso, was den medizinischen 3-D-Druck anbelangt. 

Intelligente Medizintechnik: Organe aus dem Drucker

Was bei Zähnen oder Knochen schon ein Standardverfahren ist, könnte auch im Fall von Ersatzorganen die Lösung sein: das sogenannte Bioprinting von menschlichem Gewebe mit speziellem 3-D-Drucker. In einigen Fällen, genauer gesagt, bei sehr dünnen künstlichen Geweben, ist dies in der Vergangenheit bereits erfolgreich geschehen und vor allem in der Forschung und zur Entwicklung neuer Medikamente eingesetzt worden. Beispielsweise etwa im Fall von Blase, Blutgefäßen und Herzklappen. Doch birgt dieses Verfahren auch Nachteile, auf die Ingenieure der University of New South Wales (UNSW) jüngst im Rahmen ihrer Studie, die im Februar 2023 im Fachmagazin „Advanced Science” erschienen ist, hingewiesen haben. „Bestehende 3-D-Biodrucktechniken erfordern, dass Biomaterialien außerhalb des Körpers hergestellt werden, und die Implantation in eine Person würde in der Regel einen großen chirurgischen Eingriff auf offenem Feld erfordern, der das Infektionsrisiko erhöht”, erklärt Autor Dr. Thanh Nho Do. Der neu entwickelte winzige flexible, weiche Roboterarm, der wie ein Endoskop in den Körper eingeführt wird, kann hingegen Organe und Gewebe im menschlichen Körper direkt bedrucken. Innerhalb der kommenden fünf bis sieben Jahre soll das Gerät für medizinisches Fachpersonal einsatzbereit sein – nur einer von unzähligen Meilensteinen in der Medizin, die in Zukunft noch auf uns zukommen werden.

Quellen:
Deutsche Herzstiftung: Telemedizin: Wie profitieren Herzkranke davon?
Stiftung Gesundheitswissen: Immer mehr Menschen mit chronischen Erkrankungen über Jahrzehnte beeinträchtigt

ZDF: Polypen aufspüren mit Künstlicher Intelligenz
Helmholtz: Wie KI die Medizin revolutioniert

Schon gewusst?

Etwa 8.700 Kinder kommen jedes Jahr in Deutschland mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Deren Versorgung könnte künftig in Gefahr geraten. Anlass für die Sorge von Fachverbänden ist die in 2022 erlassene Europäische Medizinprodukteverordnung (EU-MDR – European Medical Device Regulation). Die als kompliziert eingestuften neuen Richtlinien der Zertifizierung/Rezertifizierung stellen höchste Anforderungen an die Hersteller kindgerechter Medizinprodukte und seien mit einem immensen bürokratischen Aufwand sowie hohen Kosten verbunden. Als Folgen befürchten Expertinnen und Experten einen Behandlungsrückschritt und Innovationsstopp. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wird daher aufgefordert, sich mit dieser Angelegenheit zeitnah auseinanderzusetzen.
Quelle: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/132192/Neue-Medizinprodukteverordnung-Material-fuer-herzkranke-Kinder-wird-zur-Mangelware; Zugriff: 28.03.2023

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