Gesundheitsdaten

Potenzial von Gesundheitsdaten nutzen

Von Nadine Effert · 2023

Der Bedarf an effektiver Prävention, verbesserter Diagnostik und neuen Therapien war, ist und wird auch in Zukunft vorhanden sein. Für medizinischen Fortschritt braucht es Forschung – und die basiert auf Daten. Die digitalisierte Medizin wird als Schlüssel zu einer patientenzentrierten, individuellen und präzisen Versorgung gesehen – wenn denn auch das Potenzial, welches in den Daten steckt, ausgeschöpft wird.

Ein Mediziner tippt auf ein elektronisches Panel, auf dem Gesundheitsdaten abgebildet sind
Die Digitalisierung der Medizin verbessert die Versorgung kranker Menschen. Foto: iStock / ipopba

Rund 80 Prozent der Menschen in Deutschland würden ihre Daten der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen. 70 Prozent wollen die von ihnen gesammelten Daten in die elektronische Patientenakte einfließen oder ihrer Krankenkasse zukommen lassen. Selbst Gendaten würde die Hälfte der Wissenschaft zur Verfügung stellen. Zu diesen Ergebnissen kommt der erste „Self-Tracking-Report“, initiiert vom Marktforschungsunternehmen EPatient Analytics. Insgesamt 5.000 Menschen in Deutschland wurden im letzten Jahr befragt, ob und wie sie ihre Gesundheit kontrollieren und wie die Forschung und Medizin mit ihren Gesundheitsdaten umgehen sollen. 42 Prozent der Befragten überwachen ihre Gesundheit, etwa Gewicht und Blutdruck, bereits komplett digital, vorwiegend mit dem Smartphone. Die Befragten wünschen sich die Nutzung ihrer Gesundheitsdaten für bessere medizinische Forschung sowie für eine optimierte Behandlung und für individuelle Präventionsangebote. „Es wurde Zeit, der Gesundheitspolitik dieses Bild vorzuführen: Die Bürgerinnen und Bürger wollen ihre Gesundheitsdaten für eine bessere und somit auch sichere Medizin nutzbar machen”, sagt Prof. Dr. Sylvia Thun, Direktorin für E-Health am Berlin Institute of Health der Charité und wissenschaftliche Beraterin der Studie. Was es dafür aber braucht, sei eine konsequente Digitalisierungsstrategie, die auch einen kritischen Blick auf den bestehenden Datenschutz bedingt.

Praktische Entscheidungshilfen 

Aber auch in der Versorgung, etwa in den 1.887 Krankenhäusern in Deutschland, entstehen tagtäglich riesige Mengen an kostbaren Daten, die der Wissenschaft durchaus nützlich sein können. Sie sind heutzutage auch Futter für zum Beispiel Algorithmen, Stichwort Künstliche Intelligenz (KI). KI-gestützte Anwendungen werden in der klinischen Entscheidungsfindung immer relevanter. Datenanalysen etwa können das Verständnis von Krankheiten grundlegend verändern, denn je mehr Daten Ärztinnen und Ärzte analysieren können, desto präziser können sie Patientinnen und Patienten beraten und behandeln. Mithilfe von Algorithmen können zum Beispiel verschiedene Therapiemöglichkeiten gegeneinander abgewogen oder Risikoprofile als Grundlage für individuelle Präventionsmaßnahmen erstellt werden. So arbeiten australische Forschende an der Edith Cowan University aktuell an einer KI, die das Risiko für bestimmte Krankheiten wie Herzinfarkt, Osteoporose oder Demenz per Knopfdruck vorhersagen kann. Möglich macht dies eine Software, welche pro Tag etwa 60.000 Scans zur Bestimmung der Knochendichte analysieren kann – mit einer hohen Trefferquote von 80 Prozent. „Da diese Bilder und automatisierten Ergebnisse zum Zeitpunkt der Knochendichteprüfung schnell und einfach erfasst werden können, könnte dies in Zukunft zu neuen Ansätzen für die Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Krankheitsüberwachung im klinischen Alltag führen“, so Joshua Lewis, Leiter der Studie, die im August 2023 im Fachblatt „The Lancet“ erschienen ist.

Gesundheitsdaten vernetzt nutzen

Nicht nur die Daten selbst, auch eine vernetzte Medizinforschung, die Gesundheitsdaten aus unterschiedlichen Quellen besser zugänglich und für die Forschung nutzbar macht, ist relevant. Kooperationen zwischen verschiedenen Einrichtungen und Infrastrukturen der Gesundheitsforschung spielen dabei eine immer größere Rolle. „Die zunehmende Häufigkeit multimorbider Patientinnen und Patienten erfordert übergreifende Forschungsansätze, die wiederum eine gemeinsame Dateninfrastruktur benötigen“, erläuterte Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Standortsprecher am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Universitätsmedizin Greifswald, auf der digitalen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) und der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF) im August letzten Jahres. Dort wurde über die Chancen und Herausforderungen auf dem Gebiet der Medical Data Sciences diskutiert. „Das Ziel großer Initiativen wie der Medizininformatik-Initiative (MII) und des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) ist es, Gesundheitsdaten aus unterschiedlichen Quellen besser zugänglich und für die Forschung nutzbar zu machen“, erläutert TMF-Geschäftsführer Sebastian C. Semler. 

Gesetzliche Grundlagen schaffen

Auf politischer Ebene soll dieses Anliegen in der laufenden Legislaturperiode unter anderem mit der Schaffung eines Forschungsdatengesetzes und eines Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) vorangebracht werden. „Dafür braucht es eine übergreifende Infrastrukturplanung und Konvergenz der bestehenden Initiativen“, so Semler. Zu diesen Initiativen gehören auch die vom Bundesgesundheitsministerium geförderte Initiative genomDE, die dem Aufbau einer bundesweiten Plattform für die medizinische Genomsequenzierung und dem Austausch der dabei entstehenden molekularen Daten dient, und die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG). Im August dieses Jahres wurde ein Referentenentwurf eines Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten vorgelegt. Die TMF unterstützt diesen, insbesondere was den geplanten Ausbau einer dezentralen Gesundheitsdateninfrastruktur mit einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für die Nutzung von Gesundheitsdaten anbelangt. Dies würde zu einer besseren Verfügbarkeit von Daten und einer erhöhten Akzeptanz für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten auf Seiten der Patientinnen und Patienten führen.

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