Herzgesundheit

Ohne Herzschlag kein Leben

Von Nadine Effert · 2018

Was sich Motor unseres Lebens nennt, ist ein gerade einmal faustgroßer, rund 300 Gramm schwerer Hohlmuskel. Mit rund 100.000 Schlägen pro Tag pumpt er etwa 7.200 Liter Blut durch den Körper. Die Anfälligkeit des Herzens spiegelt sich in der Anzahl der Herzpatienten wider. Dank kontinuierlicher Forschung und technischem Fortschritt kann ihnen heute viel besser geholfen werden.

Herz mit seiner Vernetzung im Körper. Thema: Herzgesundheit
Foto: iStock/Lars Neumann

In Schweden kämpft der 43-jährige Arne Larsson um sein Leben. Der Grund: Er leidet an einer schweren Herzrhythmusstörung. Gerade einmal 28 Schläge pro Minute schafft seine Pumpe, normal sind etwa 70. Larssons Frau bittet in ihrer Verzweiflung den Ingenieur Rune Elmquist und den Chirurgen Åke Senning um Hilfe. In der Zeitung hatte sie von deren neuer Methode gelesen, die bislang nur an Tieren erfolgreich getestet worden ist. Ihre Hartnäckigkeit zahlt sich aus: In einer geheimen Notoperation wird Larsson eine Schuhcremedose, ausgestattet mit Transistoren und Batterien, eingesetzt, die über zwei Elektroden am Herzmuskel befestigt wurde. Sie geben Impulse an das Organ ab. Mit Erfolg, denn die Pulsfrequenz des Patienten normalisierte sich. Wer sich wundert: Wir schreiben das Jahr 1958, und die Rede ist vom ersten voll implantierbaren Herzschrittmacher. 

Von der Kuriosität zum Lebensretter

Diese Erfindung, die Elmquist anfangs als technische Kuriosität abtat, gehört heute zum Standard der modernen Kardiologie und wird in Deutschland jährlich rund 100.000 Patienten eingesetzt. Moderne Herzschrittmacher sind klein, können Daten speichern und müssen erst nach rund zehn Jahren ausgetauscht werden. Herzpatienten profitieren immens von den medizinischen Fortschritten der letzten Jahrzehnte: Immerhin gehen rund 40 Prozent der verlängerten Lebenserwartung auf ihr Konto. Wer hätte einst gedacht, dass bei Patienten innerhalb von einer halben Stunde ohne Öffnung des Brustkorbes eine neue Herzklappe eingesetzt werden kann. Oder dass zum Beispiel nach einem Schlaganfall mit ungeklärter Ursache ein Herzmonitor in Form eines kleinen Chips unter die Haut gesetzt werden kann, der den Herzrhythmus unter ständige Beobachtung stellt. Einsatz der Herz-Lungen-Maschine bei einem Eingriff an der Mitral- oder Triskuspidalklappe? Heute dank Katheter-Eingriffen nicht mehr nötig. 

Quelle: The Independent, Occupational Information Network, 2018

Seine Herzgesundheit ernst nehmen

Trotz einer immer besseren Versorgung nehmen Zahl der Betroffenen und Mortalität mit wenigen Ausnahmen bei den meisten Herzerkrankungen leicht zu, heißt es im aktuellen „Herzbericht 2017“. Ein Grund dafür ist nach Meinung der Herzspezialisten die begrenzte Prävention bei den Erwachsenen. In der Tat: Was bringt eine moderne Herz- und Gefäßmedizin, wenn Menschen weiterhin zum Glimmstängel greifen, sich ungesund ernähren, kaum Sport treiben und anhaltenden Stress auf die leichte Schulter nehmen? Wenn viele Menschen ausblenden, welche Rolle Bluthochdruck und Diabetes mellitus für Herzinfarkt und Schlaganfall spielen? Die gute Nachricht: Selbst bei einem der gefährlichsten Risikofaktoren, dem Rauchen, ist es nie zu spät aufzuhören: Ein Jahr nach Rauchstopp hat sich das Risiko für eine koronare Herzkrankheit halbiert; zwei Jahre nach dem Aufhören ist das Herzinfarktrisiko auf fast normale Werte abgesunken. Die weniger gute Nachricht: Auch wenn immer mehr Menschen einen Herzinfarkt überleben, wieder völlig gesund sind sie nach dem Ereignis nicht. Das Reinfarkt-Risiko ist hoch, außerdem  bleiben abgestorbene Herzmuskelzellen und Narben zurück, die sich negativ auf die Pumpleistung des Organs auswirken können.

Forschung läuft auf Hochtouren

„Inzwischen ist belegt, dass sich das Herz zwar selbst regenerieren kann, allerdings nur in einem geringen Ausmaß, das heißt zu 0,5 bis zwei Prozent pro Jahr. Das ist viel zu wenig, um einen Herzinfarkt zu heilen“, berichtete Prof. Thomas Eschenhagen, Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bei den Herztagen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) im vergangenen Jahr. „Die kardio­vaskuläre Forschung versucht daher, die Selbstregeneration pharmakologisch zu erhöhen und ist anderen vielversprechenden Ansätzen auf der Spur, insbesondere auf der Basis von pluripotenten Stammzellen.“ Für die Anwendung beim Menschen muss unter andern noch geklärt werden, welche dieser Stammzellen am besten geeignet sind und wie man mit dem Problem der Immun-Abstoßung am besten umgeht, heißt es in der dazugehörigen Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Dieses Forschungsprojekt ist nur eines von unzählig vielen, spannenden neuen Ansätzen im Dienste des Herzens. 

Innovative, digitale Medizintechnik

Eine lückenlose Überwachung von schwer herzkranken Patienten ist heute dank Telemedizin möglich. Wie das funktioniert, zeigt das Programm „Telemedizin Herz“, das von Techniker Krankenkasse, Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) Stuttgart und Philips auf die Beine gestellt worden ist. Die Teilnehmer messen ihre Vitalparameter und übertragen diese via Tablet an das Telemedizinische Zentrum am RBK. Dort werden die Daten analysiert und bei etwaigen Auffälligkeiten der behandelnde Arzt sowie der Patient kontaktiert. Zusätzlich werden Patienten mit Videos und Textnachrichten über die Krankheit aufgeklärt. Eine Studie unter Patienten in ländlichen Gegenden in Rheinland-Pfalz hat indes herausgefunden, dass die telemedizinische Überwachung auch das subjektive Wohlbefinden der Patienten steigert und das Depressionsrisiko senkt. Dieses Exempel zeigt, dass Digitalisierung und eine umfassende Vernetzung völlig neue Methoden und Verfahren in der medizinischen Versorgung möglich machen. Dazu Christian Erbe, Vorsitzender vom Fachverband Elektromedizinische Technik im ZVEI: „Um sie umsetzen zu können, brauchen wir aber verlässliche Rahmenbedingungen für die Finanzierung der Leistungen sowie für die Nutzung von Gesundheitsdaten in der Versorgung und der Forschung. Die Politik muss hier endlich ihrer Verantwortung nachkommen. Wir brauchen ein gemeinsames Zielbild für die Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft.“ 

Aktuelle Studien zur Digitalisierung im Gesundheitswesen

So denken Ärzte:

  • 80 Prozent finden in Videosprechstunden und Online-Coachings einen nützlichen Ansatz.

  • Knapp 25 Prozent haben bereits mit elektronischen Arztbriefen gearbeitet.

  • Mehr als zwei Drittel würden Apps auch ohne Evidenznachweis empfehlen, wenn sie selbst von dem Produkt überzeugt sind.
     

So denken Patienten:

  • 60 Prozent können sich vorstellen, digital mit ihrem Arzt zu kommunizieren.

  • Jeder Dritte nutzt das Internet auch als Unterstützung bei der Arztwahl.

  • 72 Prozent recherchieren online nach Symptomen, Behandlungen und Therapien.

  • 62 Prozent sind bereit, ihre Gesundheitsdaten per E-Gesundheitsakte an Ärzte und Apotheker weiterzugeben.
     

Quelle: Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Online-Befragung in 2018 unter 1.000 Personen

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