Kardiovaskuläre Erkrankungen

An der Wurzel packen

Von Nadine Effert · 2025

Die Zahl der an Volkskrankheiten Erkrankten steigt weiter an. Zwar schränkt ein gesunder Lebensstil Risiken ein, jedoch ist niemand vor allen Krankheiten geschützt. Umso wichtiger sind Früherkennung, Forschung zugunsten innovativer Diagnostikverfahren und Therapien sowie politische Vorstöße für eine bessere Prävention.

Ein animiertes Bild eines menschlichen Herzes.
Quelle: iStock / Alena Butusava

Herz-Kreislauf-Krankheiten sind Todesursache Nummer eins in Deutschland. Schätzungen zufolge könnte es im Jahr 2040 hierzulande bis zu zwölf Millionen Diabetes-Patientinnen und -Patienten geben. Fast jede dritte Person erkrankt im Laufe ihres Lebens psychisch. im Laufe ihres Lebens eine psychische Erkrankung. Alles Beispiele für Volkskrankheiten, von denen man überall hört und liest. Der Begriff steht für Leiden, die einen großen Teil der Bevölkerung betreffen, häufig und meistens chronisch auftreten und deren wirtschaftliche Auswirkungen von hoher gesellschaftspolitischer Bedeutung sind. So schlagen laut einer Berechnung der London School of Economics and Political Science (LSE) in Deutschland zum Beispiel allein Herzinfarkt, Schlaganfall und andere mehr mit gesamtgesellschaftlichen Kosten in Höhe von jährlich 83 Milliarden Euro im Jahr zu Buche. Und die Lage wird sich zuspitzen.

Alternde Gesellschaft 

Verbesserte Lebensbedingungen und eine gute medizinische Versorgung tragen dazu bei, dass der Anteil älterer Menschen in unserer Gesellschaft steigt. Lag er zum Beispiel bei den über 65-Jährigen im Jahr 2011 bei 20,7 Prozent, waren es elf Jahre später 22,1 Prozent. „Dieser Trend wird in den nächsten Jahren noch weiter anhalten, da die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und -60er nun vermehrt in diesen Altersgruppen ankommen“, so Prof. Dr. Stephan Baldus, Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK), anlässlich der Veröffentlichung des „Herzberichts 2024“. Gesund altern – wer möchte das nicht? Doch viele der Volkskrankheiten sind altersabhängig. So auch im Fall der Herz-Kreislauf-Krankheiten, welche mit rund 358.000 Todesfällen pro Jahr die häufigste Todesursache darstellen, gefolgt von Krebs auf Platz zwei. „Da die Hauptgruppe der Herzpatientinnen und -patienten in diesen Altersgruppen zu finden sind, ist in Zukunft mit einer Zunahme der Erkrankungsfälle zu rechnen. Hierauf müssen wir uns in Deutschland dringend einstellen und die Versorgungslage noch weiter verbessern“, warnt Prof. Baldus.

Schnellere Diagnosen Bei Kardiovaskulären Erkrankungen

Die durch Volkskrankheiten bedingte wachsende Krankheitslast stellt nicht nur die Versorgung, sondern auch die Gesundheitsforschung vor große Herausforderungen. Um Krebs, Demenz, Diabetes mellitus und weitere besser vorbeugen und gezielter behandeln zu können, ist das Wissen über Ursachen und Mechanismen Voraussetzung. Dabei geht es auch darum, Volkskrankheiten einfacher und schneller zu diagnostizieren. Dies könnte in Zukunft mithilfe einer einzigen Infrarotlichtmessung an Blutplasma und maschinellem Lernen gelingen – und zwar für die Stoffwechselstörungen Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte und Prädiabetes. Fakt ist, dass rund zwei Millionen Menschen in Deutschland nicht wissen, dass sie einen Diabetes haben, was ihr Risiko unter anderem für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich ansteigen lässt. Noch mehr Menschen ist nicht bekannt, dass sie an Bluthochdruck leiden und damit ein stark erhöhtes Risiko unter anderem für Organschäden und Schlaganfall tragen. „Unser Algorithmus erkennt anhand einer einzigen Infrarotmessung auch, ob eine Person keine der von uns untersuchten Erkrankungen hat, also in dieser Hinsicht gesund ist“, sagt Dr. Mihaela Žigman, die eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der Ludwigs-Maximilians-Universität leitet und für die aktuelle Studie verantwortlich ist. „Viele herkömmliche dia­gnostische Methoden haben dagegen oft falsche Ergebnisse, weil die Werte, die auf eine Krankheit hindeuten, oft auf Messungen einzelner Moleküle oder einzelne Biomarker basieren.“ In einer früheren Studie konnte bereits gezeigt werden, dass sich Lungen-, Brust-, Prostata- und Blasenkrebs mit ihrem jeweiligen Infrarot-Fingerabdruck und maschinellem Lernen genauso treffsicher, aber einfacher und kostengünstiger nachweisen lassen als mit herkömmlichen Diagnostiken. Damit die Methode in die klinische Anwendung kommt, seien nun weitere Studien erforderlich.

Mehr Prävention erforderlich

Prävention ist das A und O. Der Nutzen für jeden einzelnen Menschen und für das Gesundheitssystem ist immens, doch sind Investitionen in Präventionsmaßnahmen dünn gesät – nicht nur in Deutschland. Einen Schritt in die richtige Richtung ging es im Juni 2015 mit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention sowie der Einrichtung der Nationalen Präventionskonferenz (NPK). Diese kritisierte jüngst den von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgelegten Entwurf zum Gesundes-Herz-Gesetz (GHG). Dieser lasse „leider vermuten“, dass sich der Gesetzgeber auf die Früherkennung von Krankheitsrisiken und insbesondere den ärztlich-medizinischen Versorgungsbereich beschränkt, statt die Potenziale verhältnispräventiver Maßnahmen, zum Beispiel in den Bereichen Ernährung, Bewegung und Umgang mit Suchtmitteln, stärker auszuschöpfen, heißt es in einer NPK-Mitteilung. Sie kritisiert auch, dass geplant ist, Finanzmittel der Prävention für Medikamente einzusetzen. „Wir brauchen jetzt eine ganzheitliche Präventionsstrategie, die die Kooperation der Präventionsakteure in Bund, Ländern und Kommunen verbessert und die verschiedenen Ansätze funktional integriert: Health in All Policies, Verhältnis- und Verhaltensprävention“, betonte Dr. Timm Genett, Geschäftsführer des PKV-Verbands auf der Konferenz im Juli. 

Durch gesundheitsbewusstes Verhalten und durch regelmäßige ärztliche Vorsorge- oder Früherkennungsuntersuchungen können gesundheitliche Risiken und Belastungen vermieden sowie erste Anzeichen von Krankheiten frühzeitig erkannt werden, noch bevor sich Beschwerden bemerkbar machen. Erfolgt eine Diagnose, ist der „Vorteil“ von definierten Volkskrankheiten – im Gegensatz zu seltenen Krankheiten –, dass sehr viel getan wird, um ihnen die Stirn zu bieten – schließlich nutzen Fortschritte einer großen Masse an Patientinnen und Patienten und helfen dabei, die Volksleiden in Zukunft einzudämmen.

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