Chronische Herzerkrankung

Alkohol als Risikofaktor für Vorhofflimmern?

Von Tobias Lemser · 2025

Mit weltweit über 60 Millionen betroffenen Menschen ist Vorhofflimmern die häufigste Herzrhythmusstörung. Nicht nur rechtzeitiges Aufspüren ist wichtig, auch das Wissen um Risikofaktoren. Welche große Rolle hier Alkohol spielt, zeigt eine aktuelle Studie. Ebenso spannend: die neuen Behandlungsleitlinien.

Ein rotes Herz liegt auf einer Tabelle mit Daten
Der Puls zeigt an, wie oft das Herz schlägt, und ist bei Vorhofflimmern meist beschleunigt und unregelmäßig. Foto: iStock / ipopba

Sie geben Auskünfte über Schlafqualität, Schritte und Stresslevel: Viele Menschen könnten ohne Smartwatches inzwischen kaum noch leben – zu spannend, diese Vielzahl an Daten zu verfolgen, die in bestimmten Situationen sogar lebensrettend sein können. So im Fall von Vorhofflimmern, das mittels eines normalen EKGs nicht immer erkennbar ist. Anders bei Smartwatches: Da diese intelligenten Uhren jederzeit Daten erfassen, können sie eben auch dann Vorhofflimmern aufspüren, wenn die Betroffenen nicht unter ärztlicher Kontrolle sind.

Chronische Herzerkrankung: Vorsicht, Schlaganfall!

Schätzungsweise tritt in Deutschland bei bis zu zwei Millionen Menschen Vorhofflimmern auf. Ausgelöst wird diese Herzrhythmusstörung durch eine Art „elektrisches Gewitter“ im Reizleitungssystem des Herzes. Infolgedessen sind die Vorhöfe und Herzkammern nicht mehr imstande, aufeinander abgestimmt zu pumpen. Sie arbeiten unkontrolliert und beginnen zu flimmern. Das Tückische: Nicht nur die Herzleistung nimmt dadurch ab, auch können sich im Herzvorhof Blutgerinnsel bilden. „Vorhofflimmern ist eine ernst zu nehmende Herzrhythmusstörung. Denn auch wenn sie – wie bei einigen Patientinnen und Patienten – ohne ausgeprägte Symptome auftritt, kann sie zur lebensbedrohlichen Gefahr werden und zu einem Schlaganfall führen“, warnt Herzspezialist Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Herzklopfen, Kurzatmigkeit, aber auch Schwindel sind typische Symptome, die für Vorhofflimmern sprechen können. Zwar vergeht anfallsartiges chaotisches Herzrasen in der Regel nach einigen Stunden oder Tagen wieder, dennoch gilt es, diese Herzrhythmusstörung dringend kardiologisch abzuklären. Denn bleibt die Störung unbehandelt, kann sich daraus ein dauerhafter Krankheitsverlauf entwickeln und zu einer Herzinsuffizienz führen, die zumeist mit körperlicher Schwäche und Atemnot einhergeht.

Unrhythmisches Herz

Risikofaktoren für Vorhofflimmern sind neben dem Altern hoher Blutdruck und die koronare Herzkrankheit (KHK). Doch auch Schlafapnoe, Diabetes mellitus, eine Schilddrüsenüberfunktion, Stress sowie hoher Alkoholkonsum stellen eine mögliche Gefahr dar. Wie sehr exzessiver Alkoholgenuss mit Herzrhythmusstörungen in Verbindung zu bringen ist, untersuchte ein Ärzteteam der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des LMU-Klinikums. In der im Oktober veröffentlichten MunichBREW-II-Studie analysierten die Forschenden die Daten von über 200 Partybegeisterten, die Spitzenblutalkoholwerte von bis zu 2,5 Promille aufwiesen. Hierzu wurde deren Herzrhythmus 48 Stunden per EKG überwacht.

Gefahren durch Alkohol 

Das Ergebnis: „Klinisch relevante Arrhythmien traten bei über fünf Prozent der ansonsten gesunden Teilnehmer auf“, erklärt Studienleiter Dr. Moritz Sinner, „und zwar überwiegend in der Erholungsphase.“ Die Alkoholzufuhr in der Trinkphase führte zu einem immer schneller werdenden Puls mit über 100 Schlägen pro Minute. Alkohol könne also profund in die autonomen regulatorischen Prozesse des Herzes eingreifen. „Unsere Studie liefert aus kardiologischer Sicht einen weiteren negativen Effekt von akutem exzessivem Alkoholkonsum auf die Gesundheit“, betont Prof. Dr. Stefan Brunner. Welche langfristigen schädlichen Effekte dies haben könnte, bleibt Gegenstand weiterer Forschung.

Vereisen oder erhitzen

Doch was hilft grundsätzlich, um die Turbulenzen in den Vorhöfen in den Griff zu bekommen? In der Regel steht zunächst die medikamentöse Therapie im Mittelpunkt – mit dem Ziel der Blutgerinnungshemmung sowie der Rhythmus- und/oder Frequenzkontrolle. Bringt dies keine Besserung, ist die Katheterablation das Mittel der Wahl – ein minimalinvasiver Eingriff, bei dem mittels Vereisung oder Hochfrequenzstrom die Leitungspfade unterbrochen werden, die das Durcheinander der elektrischen Signale verursachen. Erfolgsquoten von bis zu 90 Prozent sind damit bei wiederholter Anwendung bei Patientinnen und Patienten mit anfallsartigem Vorhofflimmern ohne Herzerkrankung möglich.

Neue Therapie-Leitlinien

Anstatt sich allein auf die reine Therapie des Vorhofflimmerns zu konzentrieren, soll der bisherige Leitpfad fortan durch eine umfassendere Behandlung des gesamten Patienten ergänzt werden – so der Beschluss des Jahreskongresses der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie Anfang September in London. Zur Umsetzung des neuen AF-CARE-Konzepts (AF steht für Vorhofflimmern) sollen vor allem die Prävention und Behandlung von Begleiterkrankungen vermehrt im Mittelpunkt stehen, um vorbeugend, aber auch zur langfristigen Erhaltung des Therapieerfolgs beizutragen. Während das C (Care) für das Management von Komorbiditäten und Risikofaktoren steht, bezieht sich das A (Avoid) auf das Vermeiden von Schlaganfällen und Thromboembolien, wobei die Parameter Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, Alter, Diabetes mellitus, Schlaganfall, Gefäßerkrankung und Geschlecht besonders berücksichtigt werden. R (Reduce) beinhaltet die Reduzierung der Symptome durch Kontrolle von Herzfrequenz und Herzrhythmus. E (Evaluate) umfasst dagegen die Evaluation und dynamische Neubewertung – alles mit dem Ziel, das Therapieergebnis bei Vorhofflimmern in der klinischen Praxis zu verbessern. Gerade angesichts der demografischen Entwicklung wird dieses Vorhaben immer relevanter, was auch auf die Bedeutung von Smartwatches zutreffen könnte.

Schon gewusst?

Dauert das Vorhofflimmern mehrere Stunden oder Tage, spüren Betroffene oft eine Leistungsschwäche – es besteht ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Stolpert oder rast das Herz, geht dies oft einher mit:

• innerer Unruhe und Angst
• unregelmäßigem und beschleunigtem Puls
• einer Neigung zu schwitzen
• Luftnot bei Belastung
• Leistungsschwäche
• Schwindelattacken
• Schmerzen in der Brust
• kurzzeitiger Bewusstlosigkeit

Bei diesen Beschwerden sollte umge­hend eine Arztpraxis aufgesucht werden.

Quelle: Deutsche Herzstiftung: Was man über Vorhofflimmern wissen muss; Zugriff: 28.11.2024

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